Ich nehme Dinge gerne selbst in die Hand

Im Interview mit dem Dormagener Säbelfechter Max Hartung

© Deutscher Fechter-Bund | Augusto Bizzi
Der Dormagener Säbelfechter Max Hartung ist die größte Medaillenhoffnung aus dem Rhein-Kreis Neuss für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Nach Gold bei der Heim-EM im vergangenen Sommer in Düsseldorf im Mannschaftsturnier mit seinen Bayer-Kameraden Benedikt Wagner und Matyas Szabo liegt der frühere Team-Weltmeister und ehemalige Einzel-Europameister auf dem Weg nach Nippon voll auf Kurs.

Herr Hartung, durch Mannschafts-Gold bei der EM in Düsseldorf haben Sie einen weiteren großen Erfolg gefeiert und zudem bei mehreren Weltcup-Turnieren wieder auf dem Podium gestanden. Wie bewerten Sie die Saison im Rückblick?

Gut. Es war meine erfolgreichste Saison überhaupt. Ich habe die Saison als Zweiter der Weltrangliste hinter einem US-Amerikaner beendet, und durch den EM-Titel war auch ein ganz besonderes Erlebnis dabei. 

Inzwischen rückt Olympia 2020 immer stärker in den Fokus. Wie ist der Stand hinsichtlich der Qualifikation für Tokio?

Mit der Mannschaft sind wir nach über der Hälfte der Qualifikation auf dem vierten Platz, wären damit als Team und dadurch auch mit drei Einzelstartern dabei. Falls es wider Erwarten nicht reicht, dürfen im Einzel die zwei besten Europäer der Weltrangliste in Tokio antreten. Nach der ganzen Vorbereitung und für den Spaß an der Veranstaltung wäre es aber natürlich schöner, wenn meine Dormagener Teamkameraden auch dabei wären.

Warum bedeutet Ihnen als Einzelsportler die Mannschaft so viel?

Wir sind ja mittlerweile auch eine Mannschaftssportart geworden. Es ist gerade vor Olympia wichtig, zusammen für eine gute Teamleistung zu trainieren. Durch eine starke Mannschaft steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer guten Einzelleistung, wenn man zuhause Trainingspartner mit dem gleichen Ziel hat. Wir haben in Dormagen außerdem die Besonderheit, dass wir in großen Teilen schon seit Kinderzeiten in Dormagen zusammen sind, und weil meine Laufbahn vielleicht nicht mehr bis Paris 2024 geht, wäre Tokio für unsere Truppe noch einmal etwas Besonderes.

Wie sind Sie zum Fechtsport gekommen?

Es gab eine AG an der Regenbogen-Grundschule nicht weit von unserer Trainingshalle. Da haben mir unser Sportlicher Leiter Olaf Kawald und der heutige Bundestrainer Vilmos Szabo gesagt, ich sei jetzt Fechter und solle mitkommen. 

Wie hat sich der Säbel als Ihre Waffe herauskristallisiert?

Der wurde mir als kleiner Junge in die Hand gedrückt. Hätte man mir einen Degen gegeben, wäre ich heute wohl Degenfechter – aber vielleicht nicht so gut, weil man da mehr Geduld braucht.

Was ist der Unterschied vom Säbel zu den anderen Waffen?

Der Säbel ist die einzige Hieb- und Stichwaffe, mit der man den Gegner auch schlagen darf. Es lohnt sich mehr anzugreifen, so dass alles schneller, dynamischer und explosiver ist, mehr Feuer drin ist – und so passt es auch besser für mich.

Was macht für Sie die Faszination des Fechtsports aus?

Fechten ist sehr gut geeignet, etwas über sich selber zu lernen. Für mich war das eine tolle Schule, durch die ich viel für das Leben gelernt habe. Es ist eine Kampfsportart, die nicht auf Vollkontakt ausgerichtet ist, eine geringe Verletzungswahrscheinlichkeit hat, viele Elemente des Sports wie Kreativität und Technik vereinigt und die Auseinandersetzung mit immer wieder neuen Ideen und Strategien erfordert. Für Jugendliche ist das ein tolles Umfeld, um sich selber kennenzulernen

.

Was hat Dormagen zur deutschen Hochburg der Säbelfechter gemacht?

Olaf Kawald und Vilmos Szabo arbeiten seit Jahrzehnten mit ihrem Fecht-Knowhow in Planung und Steuerung sehr gut zusammen. Es wurde mit viel Gefühl und Knowhow lange gute Nachwuchsarbeit gemacht, so dass aus Aktiven aus einem Umkreis von wenigen Kilometern in sieben Jahren vier Jugend-Weltmeister wurden. Und dass davon auch welche bei den Erwachsenen ankommen, ist kein Zufall. Dass von vergleichsweise so wenigen potenziellen Sportlern aus dem Dormagener Umkreis so viele erfolgreiche Fechter geworden sind, ist vor allem eine Bestätigung für die Arbeit der Trainer.

Sie werden immer wieder als das Gesicht des Fechtens bezeichnet. Wie gehen Sie damit um?

Wenn das gesagt wird, ist das eine Sache. Aber eine andere Sache ist, dass wir noch eine Menge anderer toller Athleten haben. Grundsätzlich freue ich mich, wenn positiv über den Fechtsport und über mich berichtet wird, aber ich finde auch wichtig, dabei die anderen nicht zu vergessen.

Ärgert Sie die vergleichsweise geringe Präsenz des Fechtens in der Öffentlichkeit?

Die Gründe dafür sind ja vielfältig. Ich versuche, mit meinen Mitteln Verbesserungen zu bewirken – ob früher als Aktivensprecher im Verbandspräsidium oder wie seit kurzem mit einem neuen Podcast für Menschen, die mehr über das Fechten wissen und uns besser kennenlernen möchten. Statt zu meckern, nehme ich Dinge gerne selbst in die Hand.

Für Verbesserungen im System der Sportförderung setzen Sie sich auch als Präsident der Aktivenvereinigung „Athleten Deutschland“ ein. Was ist Ihre Motivation?

Mich haben die Hintergründe meines Sports schon immer interessiert. Nach meiner Wahl zum Aktivensprecher der Fechter und später im Deutschen Olympischen Sportbund ist es immer weiter gegangen, auch weil ich weiter Fragen gestellt
habe und unangenehm war. Bei „Athleten Deutschland“ wollen wir in einem tollen Team mit Aktiven aus mehreren Sportarten die Bedingungen für die Aktiven verbessern. 

Wie beurteilen Sie denn die Förderung von Spitzensportlern auf lokaler Ebene?

Ich selbst habe jahrelang von der Stiftung Sport der Sparkasse Neuss und des Rhein-Kreises Neuss und auch von der Unterstützung durch die „Partner für Sport und Bildung“ profitiert. Diese wichtige Form der Förderung ist zwar ein Teil unseres
föderalen Systems, in dem Bemühungen auf verschiedenen Ebenen stattfinden, aber meiner Meinung nach bedarf es im absoluten Spitzenbereich einer weiteren Professionalisierung. Dann hätten Kreise und Regionen noch mehr Möglichkeiten, ganz gezielt Lücken zu füllen und sich um die Jugend zu kümmern.

Sie deuteten Ihr Karriereende schon an. Spüren Sie auch ein wenig Angst vor dem Ende der Karriere?

Das ist sicher ein bisschen so. Ich bin zwar sehr zuversichtlich, dass sich Türen öffnen und Chancen ergeben werden, aber ich bin eben auch schon seit 21 Jahren in Dormagen und inzwischen in praktisch jeder Fechthalle auf der Welt in einem sicheren Umfeld. Ich habe etwas Angst, dieses Spielfeld verlassen und mich auf ein neues begeben zu müssen, aber insgesamt freue ich mich auf neuen Input und neue Herausforderungen.  

Herr Hartung, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.   DK

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Bild:

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