SSV-Vorsitzender Meinolf Sprink: „Werte des Sports sind unschlagbar“

Als aktiver Sportler war der gebürtige Düsseldorfer vielfach engagiert und erfolgreich. Beim 1. Neusser TTC schlug Sprink einst in der zweiten Bundesliga auf und lenkte die Geschicke des Vereins später als Vorsitzender. In seiner beruflichen Laufbahn übernahm der Betriebswirt seit 1988 in Leverkusen zunächst bei der Bayer AG und später bei Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen verschiedene Führungsfunktionen. Als Direktor Fans und Soziales gehört Sprink derzeit bei den Leverkusener Profi-Fußballern der Geschäftsführung an.

Im vergangenen Frühjahr rückte der 60-Jährige zum Vorsitzenden des Stadtsportverbandes Neuss auf. Bei der Dachorganisation und wichtigsten Interessenvertretung des Neusser Sports ist Sprink damit der Spitzenrepräsentant von 34.000 Mitgliedern in 114 Vereinen. Der SSV bietet den Klubs und allen Bürgern Informationen und Hilfestellungen zu sämtlichen Fragen rund um den Sport und befasst sich darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Aspekten aus den Themenfeldern „Sport in Neuss“ und „Sport im Allgemeinen“.

Meinolf Sprink, bald führen Sie den Stadtsportverband Neuss die berühmte Eingewöhnungszeit von 100 Tagen als neuer Vorsitzender an. Was sind Ihre bisherigen Eindrücke und Erfahrungen?

Wir, das nach einem Generationswechsel weitgehend neu zusammengestellte Führungsteam des SSV und ich, sind in einer Phase, die ich „Schwamm“ nennen möchte. Man beginnt, Dinge aufzunehmen, zu lernen, zu verstehen. Daraus lassen sich neue Ideen entwickeln.

Was ist Ihre Motivation zur Übernahme der Nachfolge von Wilhelm Fuchs, der nach fast zwei Jahrzehnten nicht mehr kandidierte, gewesen?

Mein ganzes Leben bin ich im Sport auf vielen Ebenen aktiv gewesen und habe dadurch viel gelernt. Sogar meinen Berufsweg hat der Sport entscheidend beeinflusst. Ich möchte dem Sport, der mich so sehr geprägt hat, etwas zurückgeben.

Was haben Sie sich dabei vorgenommen?

Mit dem Gedanken anzutreten, alles verändern zu wollen, ist Unsinn und durch die sehr gute Arbeit von Wilhelm Fuchs und seinem Team auch überhaupt nicht nötig. Wir möchten das Projekt SSV ordentlich fortführen.

Eine neue Führung bedeutet aber in der Regel auch neue Akzente. Wo möchten Sie diese setzen?

 

 

Wir werden sicher weiter Lobbyarbeit für den Sport betreiben, Positionen besetzen und Prozesse begleiten. Unsere Kernaufgaben bleiben aber, Nöte, Probleme, Sorgen sowie Herausforderungen der Vereine und Trends zu erkennen. Besonders wichtig ist mir aber, dass die Vereine den SSV auch als Dienstleister wahrnehmen, der helfen kann.

Wie kann man sich das vorstellen?

Es geht um die Entlastung der Vereine von Aufgaben, die man in die Hauptamtlichkeit überführen könnte, weil die Vereine gar nicht die Ressourcen dazu haben. Konkret kann man, wenn die Vereine es zulassen möchten, die Mitgliederverwaltung, das Ausbildungs- und Zuschusswesen mehrerer oder auch aller Vereine in eine digitale Serviceeinheit überführen – und diese Unit könnte auch beim SSV angesiedelt sein.

Als Hilfe zur Selbsthilfe?

Wir wollen Felder suchen, auf denen man die Vereine unterstützen kann, effizienter zu sein. Viele nutzen vorhandene Möglichkeiten, auch die finanziellen, nicht, weil sie diese Möglichkeiten nicht kennen. Darüber zu informieren, ist in meinen Augen auch eine wichtige Aufgabe des SSV.

Welche weiteren Themen stehen auf Ihrer Agenda?

Die Bedeutung des Ehrenamtes. Wir wissen, wie wichtig Ehrenamtler sind, aber wenn wir immer nur auf Mitgliederversammlungen über das Thema sprechen, sprechen wir letztlich mit den Falschen, denn wir alle sind ja schon im Ehrenamt. Ein Phänomen der heutigen Zeit ist aber, dass besonders junge Leute sich zwar punktuell für Einzelprojekte begeistern und engagieren, aber nicht für eine dauerhafte Funktion wählen lassen möchten. Deswegen brauchen wir Ideen, um verstärkt Jugendliche und Erwachsene und damit die Gesellschaft davon zu überzeugen, wie wichtig das Ehrenamt ist. Dafür müssen wir das Ehrenamt so stärken, dass man wieder gerne eines übernimmt.

 

Zuletzt ist der SSV auch mit der Initiative „Neuss macht mobil“ für Zweitklässler in Erscheinung getreten…

Dieses Screening im Zusammenspiel mit der Stadt, die das Projekt entscheidend mitfinanziert, hat große Bedeutung. Dadurch werden Handlungsbedarfe erkannt, Empfehlungen möglich und womöglich sogar auch Talente entdeckt, aber auch Erkenntnisse für den Schulsport und das Vereinswesen gewonnen. Im Idealfall bringt es die Kinder in die Vereine.

Warum setzen Sie in dieser Altersklasse an?

Die Kinder haben das ganze Leben vor sich, und Sport ist Schule für das Leben, weil im Sport und besonders im Mannschaftssport sämtliche Grundregeln des Zusammenlebens frei Haus vermittelt werden. Die Werte des Sports sind eigentlich unschlagbar.

 

Vereine haben aber zunehmend einen schweren Stand…

Die Frage dabei ist, ob die Gründe dafür im Angebot und in den Rahmenbedingungen liegen oder sich die Zielgruppe verändert hat und weiter verändert. Die Vereine sehen sich in jedem Fall gleich einer Vielzahl von neuen Trends gegenüber. Immer mehr Menschen möchten Sport lieber nicht in festen Strukturen betreiben, andere Sportarten als die olympischen sind interessant geworden, eSport ist eine immer größere Herausforderung, der demografische Wandel wird ein immer größeres Thema, und im wichtigen Bereich der Integration sind Menschen aus anderen Ländern Vereinsstrukturen aus ihrer Heimat nicht bekannt. Manche dieser Phänomene prasseln geradezu auf die Vereine ein und bedrohen die Strukturen der Vereine.

Wie kann man Ihrer Meinung nach gegensteuern?

Die Vereine können ihre Angebote in die richtige Richtung bewegen, indem sie sich in den verschiedenen Bereichen auf die veränderten Gegebenheiten einstellen und dabei als Serviceanbieter auftreten. Im Bereich der „jungen Sportarten“ kann man versuchen, die vermeintliche Konkurrenz zu akzeptieren und dabei schauen, die neuen Impulse zu nutzen, um auch die traditionellen Angebote wieder attraktiver zu machen. Als SSV können wir schauen, wo man dabei helfen, Türen öffnen, unterstützen, beraten und im Hintergrund auch vermitteln kann.

Ihr Vorgänger beklagte bei seinem damaligen Amtsantritt eine mangelnde Lobby für den Sport in Neuss. Wie bewerten Sie die Situation?

Das ist durch Wilhelm Fuchs deutlich besser geworden. Der Sport wird gehört, aber es gibt in Neuss noch andere Spielwiesen. Fehlt Neuss nicht aber auch ein spitzensportliches Aushängeschild?Wir haben Nischen wie etwa Rudern, Hockey, Ringen, Voltigieren, Frauen-Basketball mit gut geführten Vereinen, wo die Kraft des Sports auch wirkt. Für bestimmte Sportarten ist Neuss aber nicht aufgestellt, alleine weil eine geeignete, zeitgemäße Halle fehlt. Der Impuls für eine solche zentrale und universale Veranstaltungsstätte kann aber nicht maßgeblich aus dem Sport kommen. Dazu bedarf es vielmehr einer konzertierten Aktion für einen Gesamtansatz, bei dem aber Sport eine Option sein kann.

Wie ließe sich der Stellenwert des Sports in Neuss stärker betonen?

Wir wollen als SSV auf verschiedenen Ebenen dazu beitragen, Politik, Verwaltung und auch die Vereine für die Interessen des Sports zu sensibilisieren, ein Gefühl für den Sport zu entwickeln. Wenn wir das erweitern, dann ist das kein Lobbyismus mehr, dann ist man schon dabei. Netzwerktreffen können dabei sehr nützlich sein, weil man ins Gespräch kommt.

Herr Sprink, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen eine gute Hand.