Bild: Privat

Über die Reise eines Kunstwerks

Als Ende Juni der sogenannte Knos-pen-baum, eine Edelstahl-Skulptur des 2019 verstorbenen Künstlers Will Brüll aus Meerbusch, in einer Feierstunde vor dem Restaurant und Hotel
Erftruhe in Wevelinghoven eingeweiht wurde, ging eine Geschichte zu Ende, die 1985 ihren Anfang nahm: Damals wurde das Kunstwerk auf die Initiative von Hilmar Krüll, dem letzten Bürgermeister von
Wevelinghoven, mit Mitteln der Kreisspar-kasse Neuss gekauft, um an das 100. Jubiläum der Stadtsparkasse Wevelinghoven zu erinnern. Doch was geschah dann?

Sandra Schmitz, Kunstliebhaberin und Inhaberin des Traditionshauses auf dem Hemmerdener Weg, begleitete im November 2022 Helmut Coenen zur Verleihung des Rheinlandtalers. Mit dieser Auszeichnung wurde der Grevenbroicher für seine besonderen Verdienste um die Kultur des Rheinlands gewürdigt. Auf der Heimfahrt kam die kunstinteressierte Runde auf die Frage, wo denn „das Blechding vom Marktplatz“ eigentlich geblieben sei. Denn: Die sechs Meter hohe Skulptur hatte im Zuge der Umgestaltung des Wevelinghovener Marktplatzes weichen müssen.

Mit detektivischem Spürsinn und der Er-innerung daran, dass sich „die Augustiner“ darum kümmern wollten, machte sich Sandra Schmitz auf die Suche nach der verschollenen Skulptur, die zunächst in den Stadtpark versetzt wurde – dort aber mehr geduldet als genehmigt war – und nach einem entsprechenden Votum des Rats, die mittlerweile vergammelte Kunstwerk zu entfernen, nach einer Zwischenlagerung am Haus St. Martinus der St.-
Augustinus-Seniorenhilfe wieder aufgestellt werden sollte. Auf Initiative diverser
Lokalpolitiker fand sich im damaligen Leiter des Augustinus-Stiftes ein neuer Pate, der sich bereit erklärte, sich dem Knospenbaum anzunehmen und so wurde der Knospenbaum kurzerhand von Karl-Heinz „Kalla“ Hüsken, dem ortsansässigen
Dachdecker, mit der Flex gefällt und vorübergehend in seinem Betrieb eingelagert. Aber wie das so geht: In dieser Phase wechselte die Leitung des Stiftes und der Knospenbaum geriet in Vergessenheit. Als Kalla verstorben war, musste die Skulptur aus dem Betrieb geholt werden und die Augustinus-Gruppe ließ ihn mit Kran verladen und umlagern. Und wieder hieß es „aus den Augen, aus dem Sinn“ – die Spur des Knospenbaums verlief erneut im Sand.

Doch Sandra Schmitz ließ nicht locker und rief den heutigen Geschäftsführer der St. Augustinus-Servicegesellschaften, Theo Sandkaulen, an. Und auch wenn der zunächst ziemlich staunte, versprach er doch, sich auf die Suche zu machen. Etwa zwei Wochen kam die Nachricht: Gefunden! Dreckig, kalkverkrustet und von Brombeeren überwuchert stand der Knospenbaum aufgebockt auf einer Außenfläche der alten Novesia-Schokoladenfabrik in Neuss.

Mit Unterstützung des Grevenbroicher Bürgermeisters Klaus Krützen, der dem Projekt ein „gemeinnütziges Interesse“
be-scheinigte, holte Sandra Schmitz den
Bürger-Schützen-Verein Wevelinghoven ins Boot und Präsident Marcus Odenthal witterte sofort die Gelegenheit, zum 100–jährigen Bestehen des Vereins diese tolle Aktion gemeinsam umzusetzen. Auch die Will-Brüll- Stiftung wurde kontaktiert und erteilte ihr Einverständnis für die Wiederaufbereitung – und -aufstellung des Kunstwerks.  

Die Stadt Grevenbroich als Eigentümerin des Kunstwerks prüfte den Antrag und so konnte, nachdem der Vertrag mit der Stadt unter Dach und Fach war, der Schütze und Freund der Familie Claus Bernrath vom gleichnamigen Autohaus mit dem nötigen Equipment den Knospenbaum bergen und wieder zurück ins Stadtgebiet holen. Seit Juni 2023 lag der Koloss im Karosseriebau Schumacher, dem Betrieb von Armin Flass. „Ich habe einige Tage getüftelt, wie sich die massiven Verkalkungen lösen lassen und dann mit meinem Vater Willbert viele, viele Stunden mit der fast meditativen Reinigung verbracht“, erklärt die Kunstliebhaberin rückblickend. Kurz nach Karneval 2024 war das Werk vollbracht und „die Jungs von Schumacher“ gaben der Knospe den letzten Schliff, neue Farbe und ein Glanzfinish.

 Und so schließt sich der Kreis für den Knospenbaum, der nun im neuen Glanz erstrahlt auf dem Gelände der Erftruhe steht und für Sandra Schmitz steht fest, dass sich ihr Engagement gelohnt hat: „Das ist eine sehr runde Sache und ich bin froh, dass der Knospenbaum nach einer langen und spektakulären Reise endlich wieder zuhause in Wevelinghoven angekommen ist. Mein herzlichster Dank gilt den unzähligen fleißigen Händen, ohne die das Projekt nicht zu realisieren und zu bezahlen gewesen wäre.“   IW

 

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