Obesch zohus statt Obesch noh Hus

Oder auch:

Des Neussers Leid und Frust

von Peter Kühling
 

Anno 2020 um diese Zeit waren wir Neusser Schützen und Nüsser Röskes alle hoffnungsvoll. Schützenfest 2021, das wird sicher wieder stattfinden. Packen wir halt schweren Herzens die geputzten Orden und auf Hochglanz polierten Säbel wieder weg und warten noch ein Jahr. Dann endlich wieder Uniformen an, die schicken Kleider raus und Schützenfest feiern.

Pustekuchen. Anstatt am Oberstehrenabend unseren neuen Regimentschef Bernd Herten endlich den Schützen vorstellen zu können und ihn in Reih und Glied nach Hause zu geleiten, heißt es, weiter warten. Kein Obesch noh Hus, denn auch der sitzt weiterhin zohus in Grefrath. Und wer Bernd kennt, weiß, dass er wirklich auf heißen Kohlen sitzt. Gäbe es den kirmestechnischen Fachterminus „Berufs­schütze“, Bernd wäre dafür ein Parade­beispiel. Während viele Leute in unserem Land mittlerweile ein Home-Office ihr eigen nennen, ist es bei Bernd ein Schützen­office. Das Amt des Oberst ist für ihn wie gemacht. Wenn es denn mal losgeht.

Aber wie tickt Bernd Herten, der Metzger von der Steubenstraße, und was sagt er zu der Situation, in der er sich als designierter Oberst im unfreiwilligen Unruhestand zurzeit befindet? Bernd ist Mitgründer vom Neusser Grenadierzug „Nix Als Trabbel 1987“ und war seitdem Oberleutnant, bis er jüngst in das Amt des Oberst berufen wurde. Ich bin ebenfalls seit 1987 dabei, und habe ihn in den letzten 34 Jahren als Macher, Organisator, treibenden Impuls und nicht zuletzt echten Freund kennengelernt, der immer für seine Zugkameraden da ist. Bernd ist Nix Als Trabbel. Punkt. Nach wie vor ein komischer Gedanke, Kirmes nicht mehr hinter ihm herzumarschieren. Ich bin mir sicher, ich spreche da für alle Aktiven unseres Zuges. Umso mehr können wir uns nun als Schützen dieses deutschlandweit einmaligen Regiments darüber freuen, Bernd Herten an der Spitze unserer Reihen zu wissen. Aber eben erst 2022. Ich habe den zukünftigen Oberst in seiner Metzgerei zu einem schützenfestlichen Plausch getroffen.

Bernd, gibt es Planungen für das Schützenfest jetzt in der Vorkirmeszeit, wo normalerweise die Vorbereitungen für die Tage der Wonne in die heiße Phase gehen würden?

Bernd Herten: Im Mai ist endgültig entschieden worden, dass das Neusser Schützenfest leider ausfällt. In Absprache mit den Corpsführern schauen wir aber, was an den Kirmestagen möglich sein wird. Es soll einige Aktionen geben, je nachdem, was pandemiebedingt machbar ist. Ansonsten sind in den Fackelbauhallen zum Beispiel Modernisierungen vorgenommen worden, die Beleuchtung wurde umge­staltet. Solche Dinge lässt die Zeit ja zu im Moment. Es gibt also trotzdem immer genug zu tun.

Vor einem Jahr hast Du bei einem Interview gesagt, als designierter Oberst machst Du „Ein dummes Gesicht und einen guten Eindruck“, wenn Kirmes nicht stattfindet. Wird aus diesem guten Eindruck nicht langsam ein genervter Eindruck?

Selbstverständlich hätte ich es auch lieber anders. Aber es lässt sich nun mal nicht ändern. Die Gesundheit der Neusser Bevölkerung, der Schützen und Teilnehmer sowie der Zuschauer geht natürlich immer vor. Daher müssen wir schweren Herzens dieses Jahr nochmal verzichten, damit wir hoffentlich nächstes Jahr in gewohnter Weise wieder durchstarten können.

Konnte man nicht einfach bis kurz vor Neusser Kirmes warten und dann entscheiden, ob das Schützenfest in einem kleineren Rahmen stattfinden kann?

Das ist sehr schwierig, weil es nicht so einfach ist, das Neusser Bürger-Schützenfest in einem kleineren Rahmen abzuhalten. Wen soll man ausschließen, zum Beispiel jemanden an einem Tag zulassen und am nächsten dann nicht? Das will ja keiner. Hinzu kommt, dass die Vorlaufzeit vom Schützenfest in Neuss ungefähr drei Monate beträgt. Nicht für den Verein an sich, sondern z.B. für die Stadt Neuss und die einzelnen Hilfsorganisationen wie Feuerwehr, Polizei und die Rettungsdienste. Es muss ja alles für dieses nicht gerade kleine Fest rechtzeitig auf die Beine gestellt werden. Das alles braucht eine gewisse Zeit.

Kannst Du Dir vorstellen, als Oberst noch einmal auf den Königsvogel zu schießen? Oder steht das Amt des Re­gimentsoberhauptes dem entgegen?

Das ist für mich im Moment kein Thema. Die Sache mit dem Königsvogel ist für mich erstmal erledigt. Grundsätzlich ist so etwas aber möglich. Auch ein Oberst kann Schützenkönig der Stadt Neuss werden. So etwas hat es aber, soweit ich weiß, noch nicht gegeben. In nächster Zeit verschwende ich da keinen Gedanken dran, da ich als Oberst ausgelastet genug sein werde.

Als Du gefragt wurdest, ob Du das Amt des Oberst bekleiden möchtest, hat da bei Dir ein Gewissenskonflikt eine Rolle gespielt, weil Du fast dreieinhalb Jahrzehnte lang Oberleutnant von Nix Als Trabbel warst? So etwas schüttelt man ja nicht einfach ab, oder?

Das ist richtig. Die Zeit als Oberleutnant bei Nix Als Trabbel will ich auf keinen Fall missen. Ein Gewissenskonflikt? Einerseits ja, andererseits nein. Es ist schon etwas Besonderes, für dieses Oberst-Amt berufen zu werden. Ich fühle mich sehr geehrt, von 6.000 Schützen dazu auserkoren worden zu sein. Nix Als Trabbel als Zuggemeinschaft steht auch geschlossen hinter meiner Entscheidung. Ich freue mich auf meine neue Aufgabe und mache das sehr gerne.

Zu guter Letzt: Bist Du zuversichtlich, dass wir 2022 wieder Schützenfest in gewohnter Weise feiern können?

Zu 100 Prozent kann das jetzt noch niemand sagen. Wir gehen alle davon aus. Aber im letzten Jahr haben wir auch gesagt, dass wir 2020 einmal verzichten, um 2021 wieder feiern zu können. Es kommt vieles anders im Leben als man denkt. Aber die Impfzahlen steigen, daher bin ich voller Hoffnung, dass wir 2022 wieder Schützenfest feiern können!“

Vielen Dank, lieber Bernd, für dieses Interview! Um abschließend noch einmal meine Worte vom Anfang aufzugreifen: Klar, dieses Jahr wieder kein Schützenfest feiern zu können, ist für das Gros der Neusser ein unsäglicher Gedanke. Eben Leid und Frust. Aber die Entwicklung stimmt uns alle positiv, und als stolzer Grenadier hoffe ich, mit all meinen Freunden nächstes Jahr endlich wieder singen zu können: „Kirmes, Kirmes, Du des Neussers Freud und Lust!“

 

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  • BerndHerten: privat