Bauer & Schaurte:

Das Erbe einer Welt-Firma

Eine Inspektion der letzten Hinterlassenschaften des Werksarztes zwischen Werksuhr und Büchern der Werksbibliothek.

Im Berufs-Förderungs-Zentrum (BFZ) in Schlicherum ist eine industriegeschichtliche Sammlung aus dem ehe­maligen Neusser Unternehmen zwischen­gelagert. Der Er­ziehungswissenschaftler Dr. Albert Wunsch hat diese zusammengestellt.

Kaum war das Schiebetor geöffnet, richtet sich der Blick auf einen Wandfön, der sogar funk­tioniert, plus Spind, Seifenspender und Gardinen aus der Damen-Umkleide, eine Stempeluhr und eine zentnerschwere circa 150 Jahre alte Transportkarre. Die Werkssirene funk­tioniert auf Knopfdruck, während die großen Werksuhren auf eine Wieder­belebung warten.

1876 wurde das Unternehmen als Rheinische Schrauben- und Mutternfabrik AG, Bauer und Schaurte in Neuss gegründet. Nach mehreren Insolvenzen, Übernahmen und Ver­käufen, schloss das Werk auf der Neusser Furth 2012 schlussendlich die Fabriktüren. Weltbekannt wurde die Firma unter anderem durch die Schraubenformate Inbus (Innensechskantschraube Bauer und Schaurte) und Verbus (Vergütete Außensechskantschraube Bauer und Schaurte).

Im November 2018 hatte Wunsch, mit Unterstützung des CDU-Stadtverordneten Dr. Johannes Schmitz, vom Projekt­entwickler BEMA die Genehmigung für eine erste Bergung von Relikten im Bunkerkeller der großen Haupthalle sowie interessanten Gegenstände aus den ehe­ma­li­gen Pro­duk­tions­stätten bekommen. Unter Einbeziehung des Logistik-Lehrgangs des Berufs-­Förderungs-Zentrums Schli­cherum, bei dem er zu einem der beiden Gründungsinitiatoren gehört, konnte er mit circa 15 Jugendlichen unter der Lei­tung des Ausbil­ders Oguz-Han Yavuz, eine LKW-­Ladung aus dem Keller-Bunker sowie etliche andere Überbleibsel sammeln und in Schlicherum lagern. Bei der Ausbeute aus dem Bunker handelt es sich um Geräte zur Überprüfung der Passgenauigkeit von Schrauben sowie um ein umfangreiches Lager von aus der Produktion genommenen Schrauben mit amtlichen Prüfzerti­fikaten, welche zum größten Teil dem Automobil-Bereich zu­zuordnen sind. Auch eine Musterschraube, wie sie für das Dach des Olympia-Stadions in München hergestellt wurde, konnte geborgen werden.

Zu den geretteten Relikten gehören Teile der Rohrpost, alte Produkt-Kataloge, Fotos aus dem Werks-Archiv, die Werks-­Bibliothek, kistenweise Klischee-Druckvorlagen, große Prä­sen­tations-Glas-Dias – quasi als Vorgänger von PowerPoint – eine 120 Jahre alte Boden-Waage, Telefon-Schaltschränke, der letzte Spritzenabwurf des Werksarztes sowie seine Un­fallberichts-Bücher, ein Schreibtisch samt Inhalt plus Stuhl aus dem Hallen-Büro der Qualitätssicherung mit zwei Kästen voller Disketten, eine Schublade mit Unterlagen zu den Mit­bewerbern sowie viele andere Exponate. Selbst eine komplette Bunkertüre aus dem Haupthaus baute er mit Helfern aus. „Mir war es wichtig, dass ich von allen Bereichen ein kleines Rundum-Paket zusammenstellen konnte, um so die Arbeitsabläufe dieses Werkes veranschaulichen zu können“, erklärt der Hobby-Historiker.

Das Stadtarchiv Neuss hatte bereits seit 2012 das umfangreiche ‚offizielle Firmenarchiv’ der ehemaligen Fabrik gesichert. Wunschs Funde ergänzen diesen Bestand sinnvoll. Vor allem das Anlagenbuch der Firma zu den Jahren 1905 bis 1913, in dem beispielsweise alles zur Beschaffung der Maschinen dokumentiert ist, ist historisch relevant.

Wer sich die ‚Interims-Ausstellung’, die den industriege­schicht­lichen Charakter der ehemals weltbekannten Firma Bauer & Schaurte wachhält, ansehen möchte, kann einen Termin unter info@albert-wunsch.de vereinbaren. 

Bild:

  • BauerSchaurte-Präs.Schlich.-Foto-AW-In-Aktion: A. Wunsch
  • DSC_1870: privat