Digitalisierung und agiles Management

Unter dem Begriff der Digitalisierung werden eine Vielzahl von Themenbereichen diskutiert, denn die Übertragung unserer unterschiedlichen Lebens- und Arbeitswelten auf eine digitale Ebene umfasst ein breites Spektrum von Anwendungsfeldern. Wir können so zum Beispiel neue Informations- und Kommunikationstechnologien dafür nutzen, unseren Arbeitsalltag und die Geschäftsprozesse zeitsparender und kosten günstiger zu gestalten. Wir können aber auch auf Basis von IT-Innovationen ganz neue Geschäftsfelder erschließen oder aufbauen. Nicht nur, dass wir uns stärker vernetzen, sondern auch Gegenstände, Systeme und Dienste werden internetfähig. Das sogenannte Internet der Dinge, das z. B. die Heizung automatisch herunterfahren lässt, wenn ein Fenster geöffnet wird, führt zu intelligenten Systemen, die ganz ohne menschliches Zutun agieren, wie es z. B. für das autonome Fahren notwendig ist. Dahinter steht das Konzept der künstlichen Intelligenz, also lernfähige Algorithmen. Sie bescheren heute dem einzelnen Nutzer immer bessere Suchergebnisse bei der Suchmaschine Google, finden im Produktions- und Logistikbereich bereits breite Anwendung und sind auch im Vertrieb und Kundenservice auf dem Vormarsch. Man denke z.B. an digitale Assistenten, die schon heute in der Lage sind, selbstständig und ohne abgehackte Computerstimme Reservierungstelefonate zu bewältigen.

Um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können, bedarf es nun neuer Managementkompetenzen und Fähigkeiten, die andere sind als diejenigen, die es gebraucht hat, um die digitale Transformation in Gang zu setzen z. B. durch die Programmierung von Algorithmen. Die Unternehmen, die es schaffen frühzeitig diese Managementkompetenzen im Unternehmen zu etablieren, können die Erfolgspotenziale der Digitalisierung nutzen, um Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Ein Unternehmen, das z. B. seine Kunden besser kennt als seine Mitbewerber, weil es die zur Verfügung stehenden Informationen zum Kundenverhalten aktiv einsetzt, um die Kundenansprache zu verbessern, kann sich von Konkurrenten abheben. Es ist ein Trugschluss zu glauben, außerhalb der Start-up-Szene kann das Geschäft so weiterlaufen wie bisher. Denn gerade die steigende Vernetzung der Märkte führt dazu, dass etablierte Unternehmen durch Start-ups als neue Konkurrenten herausgefordert und zu einem Umdenken gezwungen werden.

Unternehmen sind also gefragt in einem immer mehr digitalisierten Marktumfeld, das dadurch unsicherer, volatiler und komplexer wird, schnell und flexibel auf Veränderung zu reagieren. Diese Art der Managementfähigkeit wird oft auch als agiles Management bezeichnet, das eben gerade verhindern soll, dass ein Unternehmen den Marktanschluss verliert und zum Beispiel auf veränderte Kundenerwartungen schnell mit neuen Lösungen reagieren kann. Dafür muss ein Unternehmen aber erst in der Lage sein, diese Trends zu erkennen. Dazu gehört zum einen die konsequente Nähe zum Kunden und der Aufbau eines Kundendialogs über alle Kommunikationskanäle hinweg. Das bedeutet aber auch, dass alle Unternehmensaktivitäten zur Disposition gestellt werden müssen, die nicht helfen, einen Kundenwert zu generieren und sei es nur das Festhalten an bürokratischen und langen Plan- und Abstimmungsprozessen. Dabei steigt die Verantwortung jedes Mitarbeiters, was die Anforderung an die Entscheidungskompetenz jedes Einzelnen steigert, um flexibel in der jeweiligen Situation reagieren zu können.

Auf der Reaktionsseite sind dann möglichst viele Lösungsansätze zu berücksichtigen. Dazu gehört eine offene Fehlerkultur im Unternehmen und das Arbeiten in interdisziplinären Projektteams, die einen hohen Grad an Gestaltungsfreiheit und damit Handlungskompetenz besitzen. Das Bewusstsein dafür, dass Fehler passieren und dann konsequent beseitigt werden, verhilft erst zur Optimierung von Angebotslösungen und Geschäftsprozessen. Damit steigt aber auch die Anforderung an eine zeitnahe und transparente Kommunikation der Arbeitsstände, anhand derer auch das weitere Vorgehen entschieden wird. Das starre Abarbeiten von Detailplänen weicht somit einem schrittweisen Lösungsfindungsprozess, der konsequent auf den Mehrwert für den Kunde ausgerichtet ist. In so einem agilen Unternehmen hat das Denken in Hierarchiestufen und der Aufbau von Informationssilos keinen Platz mehr.

Prof. Dr. Helena Wisbert – Professorin für Marketing & Vertrieb und Beraterin für digitale Marketingstrategien

Bild:

  • Business People Working with Technology: © PHOTOMORPHIC PTE. LTD. – adobestock.com
  • Helena_Wisbert_4008: @ Tom Schulte