Grünes Gold. Den Algen gehört die Zukunft:

Grünes Gold. Den Algen gehört die Zukunft: Daniel Brinckmann

Grünes Gold. Den Algen gehört die Zukunft:

Nicht nur in der Kosmetik, sondern auch in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie findet das gesunde Meereskraut zunehmend reißenden Absatz. Das Beste daran? Der Anbau ist nachhaltig und verbraucht kaum Ressourcen.

Doc Macacua ist ein Universaltalent. Auf der abgelegenen Philippinen-Insel Cagayan ist der mitreißend positive Mann Gemeindepfarrer, Kühleis-Produzent und Verwalter der knappen Wasservorräte in den Zisternen. Vor allem hat er seinen „Schäfchen“
den Wandel vom Fischfang zur marinen Agrarwirtschaft schmackhaft gemacht. „Warum wir Algen züchten? Ist doch viel einfacher als fischen – das Grünzeug schwimmt nicht weg!“, meint er lapidar. Schwer zu kontern…

Bevor sein kleines Experiment mit Algen-Ablegern Früchte in Form von Peso-Scheinen trug, zogen die Insulaner vor dem rohstoffarmen Archipel raus, was das Meer nur hergab: Seegurken, Haie allein wegen ihrer Flossen und was immer sich notfalls auch mit Dynamit oder Zyanid erbeuten ließ. Bis das Nervengift, welches zum Betäuben von Fischen eingesetzt wird, 2005 beinahe das gesamte Meeresleben vor dem Hauptstrand auslöschte. „Das war der Wendepunkt“, erinnert sich Macacua, „es war klar, dass sich was ändern musste.“ Aus einigen in der Bucht baumelnden Seilen mit verknüpften Algenfetzen wurden unzählige Stauden, und der Anbau ist nicht länger nur für den Pfarrer ein lukrativer Nebenverdienst – er ernährt so viele Einwohner, dass Fischfang rund um Cagayan praktisch nur noch für den Eigenbedarf betrieben wird. Jede Familie kann gratis Parzellen in der flachen Lagune bewirtschaften und für kleines Geld Ableger kaufen, die nebenbei durch Photosynthese Sauerstoff produzieren und die halbtoten Gewässer reanimiert haben. Geerntet wird in Handarbeit: Die Ernte wird auf landestypische Bangkas verladen und am Strand von der ganzen Familie über Stunden entknotet, selektiert und anschließend vor dem Eigenheim getrocknet. Übrigens überraschend geruchsneutral. Sobald das Transportschiff aus Cebu alle zwei Wochen anlegt, wird die Lotterie ausgeschüttet: Für einen 50 Kilogramm schweren Sack Trockenware erhalten
die Farmer umgerechnet rund 15 Euro. Hierzulande Peanuts, doch auf der Insel kommt eine Familie mit 250 Kilo Ernte im Monat, einem kleinen Gemüsegarten und Angeln durchaus über die Runden. Zumal Algen mindestens zehn Mal schneller als Landpflanzen wachsen, zum Gedeihen weder Pestizide noch Dünger, sondern nur klares Wasser, Sonne und organisches CO2 benötigen. Kurzum: fast nichts. Und weil der Algenanbau ein Grundeinkommen bildet, hat sich die Zahl der Einwohner, die unterhalb der Armutsgrenze leben, seit 2008 mehr als halbiert. Pfarrer Doc Macacua freut sich nicht nur für seine Gemeinde, er hat die Marktentwicklung genau im Blick.

„Ich recherchiere natürlich wie jeder im Netz und weiß, dass wir von den Händlern keine guten Preise bekommen“, gibt er zu bedenken, wiegelt aber kurz darauf ab: „Hauptsache, die Nachfrage steigt!“ Algen als Nahrungsmittelzusatz, Bindemittel und als Träger für Kosmetikpräparate sind kein Novum, doch ist das traditionelle Wissen um ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften irgendwann doch noch von Asien nach Europa hinübergeschwappt.

Die vorbeugende Wirkung gegenüber Krebserkrankungen, AIDS und anderen Virusinfektionen ist berechtigterweise umstritten, das gilt aber nicht für die  Nährstoffbilanz: Neben Mineral- und Ballaststoffen, Vitaminen und Jod im Allgemeinen und den Zellgesundheitsförderern Chlorophyll und Vitamin B12 im Speziellen, weisen bestimmte Algensorten einen höheren Proteingehalt auf als vergleichbare Mengen Fleisch oder Ei – für vegetarisch oder vegan lebende Menschen ein Traum.All das kümmert Macacua und die rund 7000 Einwohner von Cagayan natürlich herzlich wenig, allerdings hat sich ist ein neues Bewusstsein für den Meeresschutz breitgemacht. Weil der Gemeinde für die Verwaltung des UNESCO-Weltnaturerbes Tubbataha Reef – bei 120 Kilometern Distanz eine eher passive „Aufgabe“ – ohnehin sieben Prozent der Eintrittsgelder zum Nationalpark zustehen und nun keine Notwendigkeit zum Plündern der marinen Ressourcen mehr besteht, möchte man natürlich auch vor Ort gern ein Stückchen vom internationalen Tourismus-Kuchen. So wurden die lokalen Gewässer ohne Gegenwind zum Meerespark erklärt, die Korallenriffe blühen auf und in den fast immer ausgebuchten Unterkünften begrüßt man sich mit „Moin“ oder „Gruezi“. Ein kleines Öko-Märchen, ermöglicht vom grünen Gold.

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  • DSC_3226_c_DanielBrinckmann: Daniel Brinckmann